Position von Attac Hamburg zu Krieg und Frieden

Allgemein

1. Wir finden in der Welt ein Kriegsgeschehen, das aus den Interessen des finanzialisierten Kapitalismus hervorgeht wie „der Regen aus der Wolke“. Es geht dabei fast immer um wirtschaftliche Gründe wie Rohstoffe, die Kontrolle von Energieflüssen oder Marktanteilen, begleitet vom Kampf um Einflusssphären und Machtpositionen. Diese Politik wird als Geostrategie bzw. Geopolitik bezeichnet.

2. Zum Frieden gibt es nicht erst seit der „Abschreckung mit Atomwaffen“ keine Alternative. Gerade wir Deutschen sollten die Welt mit einer Friedenslogik und nicht mit einer Kriegslogik betrachten: Völkerverständigung ist unser Ziel, keine Teilnahme an Kriegen. Dazu sagt Papst Franziskus: „Die wahre Antwort besteht nicht in anderen Waffen, anderen Sanktionen, anderen politisch-militärischen Allianzen, sondern in einer anderen Einstellung, einer anderen Weise, eine bereits globalisierte Welt zu verwalten, darin, nicht die Zähne zu zeigen, sondern internationale Beziehungen zu knüpfen.“*

3. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die UNO-Charta in ihrem Artikel 51 der angegriffenen Partei das „natürliche Recht“ zur bewaffneten Selbstverteidigung einräumt. Heute wird dieser Artikel außer von der Ukraine auch in der Kurden-Solidarität und seit Jahrzehnten für den Kampf des palästinensischen Volkes gebraucht.

4. Ein Blick auf die Weltpolitik (Geopolitik) zeigt uns, dass kriegstreibende transatlantische Kapitalien, insbesondere der USA, eine Weltherrschaft anstreben.

5. Die USA ignorieren die Souveränität der westlichen Staaten und verlangen Unterwerfung unter ihre Politik der Weltvorherrschaft (Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht).

Die Behauptung, dass sich die USA als Schutzmacht für die Europäer hergeben würden, ist ein US-Narrativ. „Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen“ (Charles de Gaulle).

Insbesondere gibt es keine altruistische Politik der USA, sondern nur eine im Eigeninteresse, auch im Ukraine-Konflikt.

6. Das Interesse der USA an Russland: Vor allem die Kontrolle über dessen Energierohstoffe; außerdem betrachten die USA die Ölrohstoffe der Welt als die ihren und bekämpfen in jedem Ölförderland eine selbständige (Energie-)Politik.

7. Die europäischen Länder widerstreben der Herrschaftspolitik der USA, wenn sie sich bemühen, eine eigene imperiale Machtpolitik zu erreichen, wobei die Ereignisse zeigen, dass die Vormachtstellung der USA bislang ungebrochen ist.

Zum Ukraine-Konflikt

8. Poroschenko, ab 2014 Präsident der Ukraine, hat den gültigen Waffenstillstandsvertrag Minsk 2 nicht umgesetzt; auch die beteiligten Europäer zeigten wenig Rückgrat bei der Forderung nach seiner Umsetzung. Poroschenko hat auch die Politik der Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerungsteile und die Politik der Einbindung der Ukraine in die NATO betrieben.

9. Selenskyi, seit 2019 Präsident, hat die Politik Poroschenkos nahtlos fortgesetzt: die Nichtumsetzung des Minsk-2-Vertrags, die Einbindung der Ukraine in die NATO und die Fortsetzung des Krieges gegen Donezk und Luhansk.

10. Am 24. Februar 2022 ist die russische Armee in die Ukraine eingefallen. Die vorherrschende mediale Reaktion auf den Krieg ist eine einseitige und deshalb unvollständige Darstellung des Wegs zum Krieg. Die Politik der NATO-Osterweiterung und der Gefährdung der Sicherheitsziele Russlands sowie der Aufbau von atomwaffenfähigen Systemen in der unmittelbaren Nähe Russlands wie überhaupt die aggressive Politik der NATO, etwa am Beispiel Jugoslawiens, bleiben unerwähnt. Wir sind die Guten, Russen (Putin) und andere sind die Schlechten.

11. Es gibt keine Chance, dass die Ukraine mit der Unterstützung der USA einerseits oder Russland andererseits als Sieger vom Platz geht: Die Sanktionspolitik ist ausgereizt, die unmittelbare Teilnahme der NATO oder anderer UNO-Staaten am Krieg wird – gegenwärtig – ausgeschlossen.

12. Umso wichtiger ist die Diplomatie, das Gespräch zwischen den Kriegsparteien Russland und Ukraine. An den Verhandlungen sollten Europäer und die USA teilnehmen können. Für eine Lösung erscheint es sinnvoll, dass ein Waffenstillstand, eine Verfassungsänderung betreffend den Status von Lugansk und Donezk und die Neutralität der Ukraine umgesetzt werden, beispielsweise auf der Grundlage des 4-Punkte-Plans Italiens (siehe unten), der darüber hinaus im Punkt 4 ein „multilaterales Abkommen über Frieden und Sicherheit in Europa“ vorsieht.

13. In die NATO eintreten zu können, ist ein Angebot seitens der NATO, kein Anrecht eines souveränen Staates.

Die UNO

14. Die UNO-Verfassung sieht ein Vetorecht im Sicherheitsrat vor, das verhindert, dass Völkerrechtsbrüche, die von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs begangen werden, sanktioniert werden können.

Die UNO muss reformiert werden, die Vorherrschaft der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und Chinas muss beendet werden.

Der italienische Plan zur Befriedung der Ukraine

Der Plan besteht aus vier Phasen.

Die erste ist ein Waffenstillstand, der eine Vorbedingung für Verhandlungen sein sollte.

Der zweite Schritt ist die Diskussion über den internationalen Status und die Neutralität der Ukraine. Sie sollte von Sicherheitsgarantien begleitet sein.

Der dritte Schritt betrifft territoriale Fragen und den Status der nationalen Sprachen.

Der letzte Schritt ist ein neues multilaterales Abkommen über Frieden und Sicherheit in Europa. Er sieht einen vollständigen Rückzug der russischen Truppen aus dem ukrainischen Hoheitsgebiet und die schrittweise Aufhebung der Sanktionen vor.

*Die vollständige Position von Papst Franziskus, zitiert nach Eine Welt Netz:

„Ich schäme mich für die Staaten, die die Militärausgaben auf 2 % anheben, sie sind verrückt! Die wahre Antwort besteht nicht in anderen Waffen, anderen Sanktionen, anderen politisch-militärischen Allianzen, sondern in einer anderen Einstellung, einer anderen Weise, eine bereits globalisierte Welt zu verwalten, darin, nicht die Zähne zu zeigen, sondern internationale Beziehungen zu knüpfen.

Es ist ersichtlich, dass eine gute Politik nicht aus einer Kultur der Macht erwachsen kann, die als Herrschaft und Unterdrückung verstanden wird, sondern nur aus einer Kultur der Achtsamkeit, der Achtsamkeit für den Menschen und seine Würde, und der Achtsamkeit für unser gemeinsames Haus. Dies beweist sich, leider negativ, durch den beschämenden Krieg, dessen Zeugen wir sind.

Ich denke, dass es für jene von Euch, die meiner Generation angehören, unerträglich ist, zu sehen, was geschah und was in der Ukraine geschieht. Doch dies ist leider die Frucht der alten Logik der Macht, die die sogenannte Geopolitik noch immer dominiert.

Regionale Kriege hat es die ganze Zeit gegeben, hier und dort, wir befinden uns seit einer Weile in einem ‚Dritten Weltkrieg auf Raten‘, und nun stehen wir vor einer Dimension, die die gesamte Welt bedroht. Und das Grundproblem ist immer das gleiche:

Die Welt wird weiterhin wie ein ‚Schachbrett‘ behandelt, wo die Mächtigen die Züge studieren, um ihre Vorherrschaft zum Schaden der anderen auszudehnen.“

Das Original erschien am 24. März 2022 in der italienischen Tageszeitung Il Fatto Quotidiano.