Patient Gesundheitssystem – gibt Corona ihm den Rest?
Corona und die aktuelle Gesundheitspolitik – Offenlegung struktureller Defizite
Öffentlicher Gesundheitsdienst – er soll die Gesundheit der Bevölkerung schützen
Corona beleuchtet, was schon lange als Mangel oder gar Unerträglichkeit empfunden wird. Der öffentliche Gesundheitsdienst wird oft als ein Bereich unseres Gesundheitswesens dargestellt, in dem das Ziel verfolgt werde, den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung (Public Health) zu gewährleisten. Bei einer Pandemie ist er besonders gefordert. Wie personell, technisch und digital abgewrackt diese öffentlichen Gesundheitsämter sind, teilweise bereits privatisiert, hat sich bei der Handhabung der Corona-Pandemie gezeigt.
Stationäre Betreuung – Wirtschaftlichkeit steht vor Patientenversorgung
Nicht besser sieht es im Bereich stationärer Betreuung aus, für den das Prinzip gilt: Wirtschaftlichkeit vor Patientenversorgung. Für diese Einrichtungen ist eine duale Finanzierung vorgesehen. Staatlich sollten die Investitionen finanziert werden, die sogenannten Betriebskosten werden durch Abrechnung der Behandlungen von den Krankenkassen getragen. Wirtschaftlich sollen schwarze Zahlen geschrieben werden. In der Realität werden staatlich zu wenig Mittel bereitgestellt, öffentliche Krankenhäuser privatisiert und durch Einsparung von Personalkosten produzieren Krankenhausträger Pflegenotstände und Arbeitsüberlastungen. Was bei privaten Trägern offenkundig wird: Krankenkassenbeiträge werden zu Gewinnen. Patientenbeiträge werden zweckentfremdet, der Patient wird Stückgut und durch Liegezeitverkürzung blutig nach Hause entlassen. Bezahlungen durch die Krankenkassen nach Fallpauschalen haben dieses System weiter angeheizt, haben Fehlanreize der Spezialisierung hin zu höher bezahlten Leistungen geliefert und damit die Krankenhäuser, die nur in der Grund-, Regel- und Notversorgung tätig waren, in Finanznot gebracht.
Privatisierungen und Krankenhausschließungen schreiten staatlich subventioniert voran – trotz Corona-Pandemie. Gesundheitsberater empfehlen eine radikale Veränderung der Krankenhauslandschaft mit nur noch ca. 600 Krankenhäusern (2018 gab es noch 1.925).
Ambulante Versorgung – wirtschaftliche Fehlanreize, medizinische Versorgungszentren als Renditeobjekte breiten sich aus
In der ambulanten Versorgung gelten dieselben Wirtschaftlichkeitsgebote. Medizinische Versorgungszentren als Renditeobjekte breiten sich schnell aus. Durch die Gebührenordnungen werden den Patient*innen oft Leistungen angedient, deren Hauptzweck die Rendite ist. In den Praxen fehlt Zeit für die Patient*innen. Gespräche mit ihnen werden kaum vergütet.
Als Bankrotterklärung kann das Modell Gesundheitskiosk für sozial benachteiligte Viertel in Hamburg gelten. Dort werden mehrsprachig Arztpraxisbesuche vor- und nachbereitet, Untersuchungsergebnisse erläutert – Tätigkeiten, die Kernbereiche einer Praxis sein sollten, aber wegen Zeit- und Personalkostenmangel ausgelagert werden.
Private Haushalte müssen zunehmend Behandlungskosten übernehmen
Längst hat sich neben der sogenannten Schulmedizin die Komplementär- sowie die Alternativmedizin als Privatleistung etabliert. Und selbst bei den schulmedizinisch anerkannten Leistungen sind zunehmend Kostenübernahmen eingeschränkt, so zum Beispiel bei Heil- und Hilfsmitteln und Medikamenten. Auf die Privathaushalte entfielen 2018 Gesundheitsausgaben in Höhe von 52,1 Milliarden von insgesamt 390,6 Milliarden Euro.
Die aktuelle Forschung kann nur den bestehenden Trend unterstützen
Aus der Forschung sind nach jahrelanger Fremdmittelfinanzierung nur Ergebnisse zu erwarten, die die herrschende Pharmaprodukt- und medizinische Gerätelandschaft unterstützen. Diese Finanzierung der Forschung lässt keine Longitudinalstudien erwarten, die sich mit komplexeren Fragestellungen zur Gesundheit, zu ihrem Erhalt sowie zu ihrer Besserung befassen.
Zunehmend chronische Erkrankungen – weit weg von Gesundheit
Der Bedarf ist groß, denn von der Regierung veranlasste Studien zur Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (KIGGS, DEGS und GEDA) weisen im Ergebnis eine zunehmende gesundheitliche Einschränkung und eine Tendenz zu chronischen Erkrankungen auf.
Wie gut für die größte Wirtschaftsbranche Deutschlands …
Gesundheit ist mehr als Behandlung von Krankheiten – kann das Bereitstellen gesundheitlicher Versorgung überhaupt von diesem System erwartet werden?
Oder liegt insgesamt ein Missverständnis vor? Wo liegt eigentlich das Problem? In diesem System ist es aus Kapitalsicht staatliche Aufgabe, ein Gesundheitswesen mit dem geringsten Aufwand an Ausgaben zu betreiben, um die gesellschaftliche Produktivität zu gewährleisten und die dafür notwendige Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Es geht demgemäß wesentlich um die Behandlung von Krankheiten in den verschiedenen Einrichtungen. Mit Gesundheit hat diese Art der Versorgung nicht zwangsläufig etwas zu tun.
Gesundheit ist deshalb ein Kampfbegriff und zugleich eine Aufforderung zum Kampf. Wer gesund leben will, muss Umstände und Maßnahmen einfordern, die dafür notwendig sind, und muss die herrschende Sicht auf das Gesundheitssystem offensiv in Frage stellen. Kampfziel ist eine gesundheitliche Versorgung, in der Leistungen enthalten sind, die auch auf den Erhalt und die Wiederherstellung von Gesundheit zielen. Solches wird wesentlich auf dem Markt unserer größten Wirtschaftsbranche angeboten. Wer kann diese Leistungen bezahlen? Welche Bevölkerungsgruppen sind ausgeschlossen? Man spricht nicht umsonst von einer Zweiklassenmedizin und geringerer Lebenserwartung bei den Ärmeren.
Gesundheit ist ein Menschenrecht! Dies wurde 1976 im UN-Sozialpakt von Deutschland anerkannt!
Finanzierung von gesundheitlicher Versorgung
Wer soll diesen Anspruch auf Gesundheit finanzieren? Natürlich wir alle als Solidargemeinschaft. Eine Neuorganisation des Gesundheitsfonds unter Beitragsbeteiligung aller ist nötig.