Impfstoffe gegen Covid-19: Aufklärung (teilweise) unerwünscht
Mit eingeschriebenem Brief vom 18. Dezember 2020 hatte die AG Gesundheit von Attac Hamburg die Hamburger Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration, Frau Dr. Melanie Leonhard, unter Verweis auf die drängenden Fragen der Öffentlichkeit zur Covid-19-Impfkampagne und der in diesem Zusammenhang im Positionspapier der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom 9. November 2020 geforderten Transparenz um die Beantwortung einiger Fragen zum Thema Impfstoffe gegen Covid-19 gebeten (siehe Impfstoffe gegen Covid-19: Aufklärung erwünscht. Da eine Antwort der Senatorin bis Mitte Januar 2021 ausblieb, wurde in einem weiteren Schreiben vom 23. Januar 2021 erneut um Beantwortung der aufgeworfenen Fragen beziehungsweise um eine Begründung gebeten, weshalb der Senatorin die Beantwortung dieser Fragen nicht möglich ist. Für eine entsprechende Stellungnahme wurde eine Frist bis zum 9. Februar 2021 gesetzt. Eine Antwort auf die Fragen der AG Gesundheit ist Frau Dr. Leonhard bis zum heutigen Tage schuldig geblieben.
Ein nahezu wortgleicher Fragenkatalog zu den Impfstoffen wurde außerdem gerichtet an:
– Herrn Prof. Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts
– Frau Claudia Loss, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion
– Herrn Andrej Hunko, Mitglied des Bundestags für die Partei Die Linke
Von der für die Qualität, die Wirksamkeit und die Sicherheit von Impfstoffen in Deutschland verantwortlichen staatlichen Überwachungsinstanz Paul-Ehrlich-Institut erhielt die AG Gesundheit auch trotz Nachfrage mit Fristsetzung keine Antwort.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Frau Loss, ließ erst auf Nachfrage durch ihren persönlicher Referenten erklären, dass sie sich im Hinblick auf die „teilweise sehr speziellen und auf einzelne Impfstoffe oder auf Bundesebene zielenden Fragen“ nicht als Adressatin sehe. Frau Loss verwies im Weiteren auf einige nach ihrer Angabe qualitätsgeprüfte Links (siehe unten). Ein Hinweis darauf, aus welchem der von Frau Loss genannten Links sich Antworten zu den konkreten Fragen der AG Gesundheit ersehen lassen, war in ihrem Antwortschreiben nicht enthalten.
► Fragen und Antworten zu Corona-Schutzimpfungen in Hamburg (Stadt Hamburg)
► Aufklärungsmerkblatt (Robert-Koch-Institut)
► Antworten auf häufig gestellte Fragen (Robert-Koch-Institut)
► Zusammen gegen Corona (Bundesministerium für Gesundheit)
Frau Loss wurde außerdem darauf hingewiesen, dass das Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Impfpflicht durch die Hintertür enthält. Wer nämlich in Quarantäne gehen muss, erhält für diese Zeit dann keine staatliche Lohnfortzahlung, wenn er sich nicht hat impfen lassen, obwohl ihm ein staatliches Angebot gemacht wurde (§ 56 Absatz 1 IfSG). Im ersten von ihr empfohlenen Text wird allerdings die Behauptung aufgestellt, dass es keine Impfpflicht gebe: „Sie können frei entscheiden, ob und wann Sie sich impfen lassen möchten.“ Darauf ging Frau Loss ebenfalls nicht ein und ließ antworten: „Auch hier sieht Frau Loss sich nicht als Adressatin.“ Also versichert sie uns, dass man als Hamburger Abgeordnete nicht hinschauen muss, sondern Texte verteilen darf, die Formulierungen enthalten, mit denen die Bevölkerung in die Irre geführt wird.
Ausführliche Antworten zu den konkreten Fragen der AG Gesundheit kamen lediglich von Herrn Andrej Hunko.
Frage 1
Wie ist hinsichtlich des zur Verabreichung vorgesehenen Impfstoffes der aktuelle Stand des Zulassungsverfahrensbei den hierfür zuständigen Stellen Paul-Ehrlich-Institut (Deutschland) und Europäische Arzneimittel-Agentur (EU)?
Antwort Andrej Hunko
Inzwischen sind bekanntlich zwei Impfstoffe durch die zuständige Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bedingt zugelassen worden: Jener von BioNTech/Pfizer („Comirnaty“, am 21.12.) und diese Woche der von Moderna (6.1.). Weitere Impfstoff-Projekte sind bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Eine Übersicht gibt es bei der EMA und bei der WHO:
https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines-covid-19#research-and-development-section
ttps://www.who.int/publications/m/item/draft-landscape-of-covid-19-candidate-vaccines
Das Paul-Ehrlich-Institut hat am 22.12. die ersten Chargenfreigaben für den BioNTech/Pfizer-Impfstoff erteilt:
https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2020/27-pei-erteilt-erste-chargenfreigaben-covid-19-impfstoff-comirnaty-deutscher-europaeischer-markt.html
Frage 2
Welche Impfstofftypen welcher Herstellerfirma sollen zum Einsatz kommen?
Antwort Andrej Hunko
In der EU wurde die Bestellung von Impfstoffen zentral organisiert, die EU-Kommission hat im Auftrag der Mitgliedstaaten Verträge mit sechs verschiedenen Herstellern geschlossen: AstraZeneca, Biontech-Pfizer, Curevac, Johnson & Johnson, Moderna, Sanofi-GSK. Die Impfdosen werden nach Zulassung und Produktion entsprechend der Bevölkerungsgröße unter den Mitgliedsstaaten aufgeteilt. Mehr dazu auch hier:
https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/coronavirus-response/public-health_de#euvaccinestrategy
Frage 3
Laut einer Veröffentlichung auf der Website des Norddeutschen Rundfunks vom 4. Dezember 2020 wirbt Gesundheitssenatorin Leonhard darum, sich klar zu machen, dass man mit einer Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere schütze. Leonhard sprach bei der Impfung auch von einem solidarischen Akt. Hierzu stellen sich folgende Fragen:
Auf welche konkreten Studienergebnisse kann sich die Senatorin mit Ihrer Aussage beziehen, dass man andere Personen durch eine Impfung schütze? Wo sind diese Studien veröffentlicht?
Antwort Andrej Hunko
Gemeint ist vermutlich, dass eine Impfung dazu beitragen kann, die sog. Herdenimmunität aufzubauen, wenn der Impfstoff die Weitergabe des Virus (Transmission) unterbindet. Die Ergebnisse der Phase-III-Studien des BioNTech-Impfstoffs wurden inzwischen im New England Journal of Medicine veröffentlicht:
https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Phase-III-Studie-zu-Corona-Vakzine-BNT162b2-jetzt-publiziert–415503.html
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577
Das Paul-Ehrlich-Institut schreibt zur o.g. Frage: „Bislang ist noch nicht sicher, ob der Impfschutz für die geimpfte Person auch bedeutet, dass diese das Virus auch nicht an nicht-geimpfte Personen weitergeben kann(Transmission).“
https://www.pei.de/DE/service/faq/faq-coronavirus-inhalt.html
Sollte sich herausstellen, dass eine Impfung die Transmission nicht unterbinden kann, dann würde der Schutz der geimpften Person von einer (schweren) Erkrankung bleiben.
Frage 4
Liegen für die zum Einsatz vorgesehenen Impfstoffe die entsprechend erforderlichen Prüfnachweise und Chargenfreigaben durch das Paul-Ehrlich-Institut vor?
Wo und wann können diese Prüfnachweise und Chargenfreigaben eingesehen werden?
Antwort Andrej Hunko
Das Paul-Ehrlich-Institut hat am 22.12. die ersten Chargenfreigaben für den BioNTech/Pfizer-Impfstoff erteilt. Weitere Details müsste man vermutlich dort erfragen.
https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2020/27-pei-erteilt-erste-chargenfreigaben-covid-19-impfstoff-comirnaty-deutscher-europaeischer-markt.html
Frage 5
Wie lauten betreffend den zur Verabreichung vorgesehenen Impfstoff die konkreten vertraglichen Vereinbarungen zu Gewährleistungs- und Haftungsfragen im Hinblick auf die zu erwartenden bzw. nicht auszuschließenden Risiken und Nebenwirkungen?
Aus welchen konkreten Studien ergeben sich die Unbedenklichkeit und die Sicherheit des zur Verabreichung vorgesehenen Impfstoffes/Impfstoffe?
Antwort Andrej Hunko
Den Aspekt der mangelnden Transparenz sehe ich äußerst kritisch. Obwohl sogar das Europäische Parlament die Offenlegung der Verträge mit den Impfstoffherstellern gefordert hat, weigert sich die EU-Kommission bislang, dem nachzukommen. Dies ist meines Erachtens skandalös und nicht zu akzeptieren. Denn es geht einerseits um die Frage, wie öffentliche Mittel in beachtlichem Ausmaß eingesetzt werden und wie teuer die Impfstoffe sind (durch eine belgische Abgeordnete wurden die Preise bekannt und scheinen sich in Grenzen zu halten, siehe https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/belgien-politikerin-verraet-versehentlich-impfstoffpreise-auf-twitter-a-7313d168-6486-45d5-9fef-b347639e3d03). Andererseits geht es aber auch um Aspekte wie eventuelle Haftungsausschlüsse, die dazu führen würden, dass potentielle Risiken auf die öffentliche Hand abgewälzt werden.
Ich habe diese Punkte auch in einen Bericht eingebracht, der derzeit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates erarbeitet wird und der zuständige Gesundheitsausschuss ist meinem Vorschlag gefolgt: https://assembly.coe.int/LifeRay/SOC/Pdf/TextesProvisoires/2020/20201221-CovidVaccines-EN.pdf (Punkt 7.3.5)
Grundlage der Zulassung der Impfstoffe sind die Phase-III-Studien, in denen auch Sicherheitsaspekte untersucht werden. Darüber hinausgehende Daten liegen meines Wissens noch nicht vor. Nach der bedingten Zulassung werden weitere Studien durchgeführt, vor allem um seltene Nebenwirkungen festzustellen, die aus statistischen Gründen erst dokumentierbar werden, wenn eine ausreichend große Menge an Menschen geimpft wurde. Einen interessanten Beitrag zu dieser Frage fand ich diesen Text von Petra Falb: https://verdareno.wordpress.com/2021/01/01/covid-impfstoffe-und-keine-langzeitdaten/
Frage 6
Auf welche konkrete Weise ist im Zusammenhang mit den geplanten Massenimpfungen das Grundrecht auf soziale Teilhabe und Berufsausübung für nicht geimpfte Staatsbürger gewährleistet und wie lauten diesbezüglich die entsprechenden gesetzgeberischen Vorgaben?
Wie wird die im Positionspapier explizit geforderte Selbstbestimmung (Autonomie) jedes Einzelnen gewährleistet und wie wird verhindert, dass nicht geimpfte Personen zukünftig von sozialer Teilhabe und von der Ausübung ihres Berufs ausgeschlossen werden können?
Antwort Andrej Hunko
Ich bin Gegner einer Impfpflicht und lehne auch sonstige Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihres Impfstatus ab. Die einzige meines Erachtens berechtigte Ausnahme bezieht sich auf bestimmte Berufsgruppen, die mit besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen arbeiten (zum Beispiel Pflegerinnen und Pfleger in Altenheimen oder medizinisches Personal in Krankenhäusern). Dass schon einzelne Privatunternehmen wie Quantas eine Ungleichbehandlung angekündigt haben, sehe ich mit Sorge. Hier müsste per Gesetz geregelt werden, dass eine solche Diskriminierung nicht erlaubt ist. Allerdings wäre der nationale Rahmen im gewählten Beispiel natürlich zu wenig, weil es um internationalen Flugverkehr geht.
Frage 7
Welche Kosten fallen bei Verabreichung der zum Einsatz vorgesehenen Impfstoffe pro Person/Dosis an?
Zu welchen konkreten Abnahmemengen und zu welchem Preis pro Dosis haben sich die Bundesregierung bzw. die Bundesländer und die ihnen nachgeordneten Behörden und Einrichtungen vertraglich verpflichtet?
Antwort Andrej Hunko
Wie zuvor erwähnt, hält die EU-Kommission die Verträge bislang unter Verschluss, was ich kritisiere. Aus den durch die belgische Abgeordnete Eva De Bleeker veröffentlichten Daten gehen folgende Preise hervor:
„Demnach ist das Mittel des US-Unternehmens Moderna am teuersten: Es würde 18 Dollar pro Dosis kosten. Der US-Konzern Johnson & Johnson würde 8,50 Dollar verlangen. Die Preise der anderen Anbieter waren in Euro angegeben: Der Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer liegt demnach bei zwölf Euro pro Dosis. Die Tübinger Firma Curevac verlangt offenbar zehn Euro, die Franzosen von Sanofi 7,56 Euro. Mit Abstand am günstigsten wäre laut dem Dokument das Mittel von AstraZeneca mit nur 1,78 Euro pro Dosis.“
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/belgien-politikerin-verraet-versehentlich-impfstoffpreise-auf-twitter-a-7313d168-6486-45d5-9fef-b347639e3d03
Frage 8
Gibt es hinsichtlich des zur Verabreichung vorgesehenen Impfstoffes vertragliche Vereinbarungen, die der Bundesregierung bzw. dem verhandelnden Ministerium ein Rücktrittsrecht von den geschlossenen Verträgen einräumen?
Für den Fall, dass derartige Vertragsklauseln existieren, unter welchen konkreten Voraussetzungen kann von Seiten der Bundesbehörden ein Rücktrittsrecht vom Vertrag geltend gemacht werden?
Frage 9
Gibt es umgekehrt vertragliche Vereinbarungen, die den den Impfstoff liefernden Pharmaunternehmen bei Nichtabnahme der vertraglich vereinbarten Impfstoffliefermengen die Möglichkeit einräumen, entsprechende Schadensersatzansprüche geltend zu machen?
Für den Fall, dass derartige Vertragsklauseln existieren, wie lauten diese konkret?
Frage 10
Für welchen konkreten Zeitraum und für welche Mengen gelten die mit den jeweiligen Pharmaunternehmen für die Lieferung des Impfstoffes vereinbarten Lieferpreise?
Wurde in den Verträgen ein Zeitpunkt definiert, ab dem das liefernde Pharmaunternehmen an die anfänglich bzw. aktuell vertraglich vereinbarten Lieferpreise nicht mehr gebunden ist?
Antwort Andrej Hunko
Zu den Frage 8 bis 10 habe ich leider keine Informationen.