Corona und das Gesundheitswesen
Mit der steigenden Zahl von Infizierten durch das Corona-Virus wachsen auch persönliche Ängste und die Sorge um uns nahestehende Menschen, die zu Risikogruppen gehören. Gleichzeitig erleben wir aus der Not geborene Solidarität und Menschen, die tatkräftig der Krise trotzen.
Zur gesellschaftlichen Solidarität gehört aber auch eine öffentliche Daseinsvorsorge, die allen Menschen zugutekommt. Der soziale und gesundheitliche Notstand erfordert sofortige Reaktionen.
Die Beschäftigten im Gesundheitssektor und im Krisenmanagement der Kommunen leisten Übermenschliches, um trotz fehlender Ressourcen Menschen zu versorgen und die lokale Infrastruktur sicherzustellen. In dieser ohnehin bedrohlichen Situation müssen wir jedoch befürchten, dass unser heruntergespartes Gesundheitssystem, das bereits im Normalbetrieb überlastet ist, nun in der Krise zu kollabieren droht. Gefährdete Bevölkerungsgruppen, vor allem älteren Menschen und/oder bereits Kranke, dürfen nicht aus Mangel an Mitteln in unserem Gesundheitssystem geopfert werden!
Attac Hamburg unterstützt die Forderungen der Krankenhausbeschäftigten.
Die Corona-Pandemie trifft auf ein deutsches Gesundheitssystem, das sich schon seit geraumer Zeit in einer Krise befindet. Laut der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fehlten in Deutschland 2018 in den Krankenhäusern ca. 80.000 Pflegekräfte. Das System funktioniert nur noch, weil die Beschäftigten vielfach über ihre Belastungsgrenzen hinausgehen. Eine „würdevolle Pflege“ ist unter diesen Bedingungen kaum noch möglich. Doch die Bertelsmann-Stiftung fordert in einer Studie die Schließung weiterer Krankenhäuser. Zu befürchten ist also, dass das kaputtgesparte und privatisierte System in Kürze mit der aktuellen, bedrohlichen Lage vollkommen überfordert sein wird. Zentrale Ursache der Probleme ist, dass sich das deutsche Gesundheitssystem am Markt und nicht am Wohl der Patient*innen orientiert.
In Hamburg …
– Erinnert sei an die Schließung des Hafenkrankenhauses, mit der 913 Betten liquidiert wurden. Durch die Bürgerinitiative „Ein Stadtteil steht auf“ und die große Beteiligung der Hamburger*innen wurde das Haus schließlich 1996 in ein „Gesundheitszentrum St. Pauli“ umgewandelt, aber die Betten waren weg.
– Im Jahr 2004 wurden die städtischen Krankenhäuser Hamburgs privatisiert. Dagegen gab es einen breiten Widerstand, unter anderem den Volksentscheid „Gesundheit ist keine Ware“. Über drei Viertel der Hamburger*innen sprachen sich gegen einen Verkauf aus. Vergebens, denn der CDU-geführte Senat konnte damals die Abstimmung ignorieren. Die Folgen waren ebenso gravierend wie vorhersehbar: Stellenabbau und höhere Belastung des Personals plus zusätzlicher Kosten für die Stadt.
– 2018 wurde der Hamburger Volksentscheid gegen Pflegenotstand im Krankenhaus gestartet: In nur 21 Tagen unterschrieben 30.000 Menschen eine Gesetzesvorlage des Hamburger Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus, die besagte, dass die Personalstärke in den Hamburger Krankenhäusern sich zukünftig am Bedarf der Patient*innen orientieren soll.
Der Volksentscheid wurde aus formalen Gründen (wegen des sogenannten Koppellungsverbots und wegen teilweiser Bundeszuständigkeit) vom Hamburgischen Verfassungsgericht für unzulässig erklärt. Aber der Volksentscheid hätte seitens des Senates auch auf anderem Wege umgesetzt werden können, sprich, er hätte das Ergebnis übernehmen können. Was aber nicht gemacht wurde.
Attac Hamburg fordert eine Umkehr in der Gesundheitspolitik. Angesichts der Corona-Krise darf keine Zeit verloren werden
1. Maßnahmen, die jetzt sofort zu treffen sind
– Schaffung weiterer Kapazitäten in den Krankenhäusern bzw. Öffnung weiterer Krankenhauseinrichtungen
– Bereitstellung ausreichender Schutzmittel
– Sofortige höhere Bezahlung der Beschäftigten und zusätzliche unbefristete Einstellungen
Attac Hamburg unterstützt die Forderungen der Hamburger Krankenhausbewegung (Pressemitteilung vom 17. März 2020)
2. Mittelfristige Maßnahmen
– Privatisierungen sind rückgängig zu machen
– Das Gesundheitssystem hat sich am Wohl des Menschen zu orientieren, nicht an den Interessen von Wirtschaft und Investoren
– Schluss mit der Zweiklassenmedizin
– Notwendige Investitionen in die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zur Notfallbewältigung
– Umsetzung des „Hamburger Volksentscheids gegen Pflegenotstand im Krankenhaus“
► Attac Hamburg: Gesundheit ist ein Menschenrecht, keine Ware
► Forderungen der Kolleginnen und Kollegen aller Gesundheitsberufe
► Aufruf des Europäischen Netzwerks gegen die Kommerzialisierung und Privatisierung des Gesundheits- und Sozialschutzes
People’s Health Movement Europe
Europäische Gewerkschaft für den Öffentlichen Dienst (EGÖD)
Alter Summit
Medact
► In ein Gesundheitssystem für alle investieren: Solidarität verbreiten, nicht das Virus
► Petition gegen Krankenhausschließungen
► Krankenhaus statt Fabrik: Das bundesweite Bündnis wendet sich gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und besonders gegen das System der Fallpauschalen (DRG) in Krankenhäusern. Siehe auch: Pandemien sind im DRG-System nicht vorgesehen
► ver.di
► Corona-Pandemie – eine historische Wende
► Solidarität mit der bulgarischen Gewerkschaft der Krankenpflegekräfte